Will Varley im Walhalla Spiegelsaal Wiesbaden (Support: Molly’s Lips) von Janine · Veröffentlicht 23. Dezember 2016 Knapp elf Monate nach seinem Besuch im Schlachthof Wiesbaden – damals noch als Support für Frank Turner – machte Will Varley am 14. Dezember 2016 erneut Halt in Wiesbaden. Diesmal im Walhalla Spiegelsaal, als Headliner seiner eigenen Show. Das Folk-Duo Molly’s Lips begleitete ihn als Support-Act. Das Konzert fand im glanzvoll gestalteten Spiegelsaal im Wiesbadener Walhalla Theater statt. Auch wenn nicht alle Bereiche der Location einen so hochwertigen Eindruck machten: Die Gestaltung des Konzertsaals sorgte bereits vorab für eine edle Atmosphäre. An der Decke des bestuhlten Saales hing ein prachtvoller Kronleuchter, die linke Wand zierte ein Spiegel, während die Wand hinter der Bühne mit einem roten Tuch drapiert war. Molly’s Lips in Wiesbaden Support-Act Schon die Vorband Molly’s Lips wusste das Publikum mit ihrem atmosphärischen, nachdenklichen Folk in ihren Bann zu ziehen. Dieses brauchte anfangs allerdings eine Weile, um aufzutauen und die richtigen Momente zum Applaudieren abzupassen. Als die sympathischen Musiker dem Publikum erklärten wo in Großbritannien sich ihre Heimatstadt Deal befindet, blieb dieses unbeeindruckt. Ebenso herrschte zunächst eine unangenehme Stille im Raum, als die Musiker das Publikum fragten, ob es sich denn auf Will Varleys Auftritt freue. Einer der Musiker scherzte daraufhin, wie seltsam es wäre, wenn sich nun herausstellte, dass alle im falschen Konzert gelandet wären. Letzten Endes bekamen jedoch sowohl Molly’s Lips als auch Will Varley ihren gebührenden Applaus und das Publikum klatschte, jubelte und kam allen Aufforderungen von der Bühne nach. Will Varley in Wiesbaden Will Varley in Wiesbaden Main-Act Auch bei Will Varleys Auftritt war das Publikum gefordert: Beim Lied As For My Soul wies der Musiker dieses beispielsweise an, Teile des Refrains, bestehend aus den Silben ‚la la la‘, mitzusingen und daraufhin als unterstützender Hintergrundchor für seinen Gesang zu agieren. Bei Weddings and Wars musste ein standortangemessener Supermarktname her. Nachdem der Sänger betont hatte, dass sich auf ‚Rewe‘ partout nichts reime, schlug eine Zuschauerin den Namen ‚Netto‘ vor, welcher sofort passend ins Lied eingebunden wurde. Auch an anderer Stelle wurde der Text von Weddings and Wars an den Standort angepasst: Statt der französischen Variante sang der Musiker gegen Ende des Liedes auf Deutsch „Geburten, Todesfälle, Hochzeiten und Kriege“ – und das obwohl er die Worte, die er sich extra auf die Hand geschrieben hatte, wie er behauptete, versehentlich beim Händewaschen wieder abgespült hatte. An anderer Stelle ließ der Musiker das Publikum durch rufen und klatschen darüber abstimmen, welches Lied er als nächstes spielen sollte: Talking Cat Blues oder A Monkey On a Rock. A Monkey On a Rock gewann die Abstimmung sehr knapp. Letzten Endes kam das Publikum aber dennoch in den Genuss beider Lieder, da die Abstimmung so knapp entschieden wurde und noch genug Zeit vorhanden sei. Für Talking Cat Blues forderte der Sänger zwei Personen in der ersten Reihe auf, Katzengeräusche nachzuahmen, was diese mit großer Freude ausführten. Das Publikum wurde damit regelmäßig vom Sänger mit einbezogen und so der Eindruck vermittelt, nicht nur bloßer Konsument der Show zu sein, sondern aktiv an deren Gestaltung mitzuwirken. Will Varley in Wiesbaden Zusätzlich zwang die veränderte politische Lage den Künstler, seine Texte an einigen Stellen etwas abzuwandeln oder zu aktualisieren: So kam bei Talking Cat Blues kurzerhand Donald Trump statt David Cameron zu Besuch. In I Got This Email besuchte man Theresa May und Boris Johnson, statt David Cameron und Nick Clegg. In der Anmoderation seinen neueren Lieder sprach sich der Sänger deutlich gegen die aktuelle politische Entwicklung aus, Mauern zu bauen, Grenzen zu ziehen und sich als Nationen wieder weiter voneinander zu entfernen. Er wolle nicht, dass sein Land „great“ sei, sondern der gesamte Planet auf dem wir leben. Will Varley in Wiesbaden Einmal mehr verdeutlichte Will Varley seine Fähigkeit, das Publikum in einem Moment zum Weinen und im nächsten zum Lachen zu bringen. Besonders intensiv war dieser Wechsel spürbar, als der Musiker das Stück The Man Who Fell to Earth darbot – eins der ganz großen Highlights dieser Show. Zuvor erläuterte er die tragische Hintergrundgeschichte des Werkes, was die Wirkung auf das Publikum deutlich verstärkte. Dieses war von Varleys mitreißend-emotionaler Darbietung des Liedes so gerührt, dass vereinzelt sogar einige Tränen flossen. Nach dem Ende des Liedes war die Stimmung im Publikum zunächst gedrückt. Daraufhin beschloss der Sänger, doch noch den Verlierer der vorherigen Abstimmung, Talking Cat Blues zu spielen und schaffte es damit vortrefflich, das Publikum wieder aufzuheitern und alle Tränen vorerst vergessen zu machen. Insgesamt zeichnete sich das Konzert durch eine perfekte Mischung und Auswahl an Liedern aus. Die Highlights der vorherigen Alben reihten sich in die Werke des aktuellen Albums ein, während sich nachdenkliche und heitere Lieder abwechselten. Will Varley in Wiesbaden Kurz vor dem letzten Lied betonte der Sänger, wie enttäuschend es gewesen sei, dass das Publikum beim ersten Konzert dieser Tour, in Glasgow, keine Zugabe von ihm gewollt habe. Das Wiesbadener Publikum behielt das im Kopf und rief lautstark nach einer Zugabe, als der Künstler sich – ganz besonders langsam – auf den Weg machte, den Saal zu verlassen. Daraufhin drehte dieser um und gab noch zwei weitere Lieder zum Besten. February Snow sorgte noch ein letztes Mal an diesem Abend für Gänsehautstimmung. Aufgrund der großartigen Akustik des Saals, in Verbindung mit Varleys mitreißender Darbietung, kam dieses besonders ausdrucksstark zur Geltung und entwickelte einen atemberaubenden Klang. Wenn auch die lustigeren Lieder dem Publikum großen Spaß bereiteten, waren an diesem Abend die traurigen, nachdenklichen Balladen die großen akustischen Highlights. Nach dem Konzert nahm sich Will Varley die Zeit, sich an der Bar mit den Fans zu unterhalten, so ziemlich jeden einzelnen von ihnen zu umarmen, Autogramme zu geben und Fotos mit ihnen zu machen. Die Bandmitglieder von Molly’s Lips betreuten den Merchandise-Stand und freuten sich ebenfalls darüber, ein paar Worte mit den Fans zu wechseln. Fazit Ein wunderschönes und gänzlich gelungenes Konzert in einer kunstvoll eingerichteten Location mit herausragender Akustik. Will Varley vermag es auf beeindruckende Art und Weise, als einzelner Musiker mit Akustikgitarre, einen Saal voller Leute eineinhalb Stunden lang perfekt zu unterhalten, mitzureißen, einzubeziehen, zum Nachdenken, Lachen und zum Weinen zu bringen. Der krönende Abschluss und ein weiteres absolutes Highlight eines tollen Konzertjahres. Bereits zum Ende kündigte Will Varley ein baldiges Wiedersehen an – ich freue mich schon darauf! Wertung 5 von 5 Kronleuchter Share
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